Mittwoch, 27. Feb. 2019, 19:30 Uhr, Café Floyd, Domplatz 6–7, 48143 Münster |
Diskussion mit Reiner Priggen, Mitglied der Kohlekommission und ehrenamtlicher Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien LEE NRW, und Gustav von Blankenburg, Aktivist in der Klimaschutzinitiative Fossil Free Münster.
Moderation: Wilhelm Breitenbach, debatte e. V. Münster
Der Eintritt ist frei. Sitzplatzreservierung bitte per E-Mail.
Der Kompromiss der sog. Kohlekommission (offiziell: Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung) liegt seit Ende Januar vor – und er bewegt die Gemüter.
Am 1. Februar 2019 hat die im Juni 2018 von der Bundesregierung eingesetzte Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Ihr Auftrag bestand darin, „aktiv den Strukturwandel in Regionen der Energieerzeugung zu begleiten“ und ein „Aktionsprogramm für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den betroffenen Regionen“ zu erarbeiten. Letztlich ging es darum, einen Vorschlag für den Kohleausstieg zu formulieren, der Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und Arbeitsschutz berücksichtigt. Dass es bei der Zusammensetzung der Kommission – die Mitglieder der „KoKo“ stammen aus Politik, Energiewirtschaft, Umweltbewegung, Wissenschaft und Gewerkschaften oder sind Vertreter der Kohleregionen – schwierig werden würde, einen Kompromiss zu finden, kann nicht überraschen.
Besser ein schlechter als gar kein Klimaschutz?
Der Abschlussbericht der KoKo empfiehlt der Bundesregierung, u. a. folgende Punkte umzusetzen:
- Bis 2022 sollen Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von drei Gigawatt sowie vier Gigawatt Steinkohlekraftwerke stillgelegt werden.
- Bis 2030 sollen weitere sechs Gigawatt Braunkohle und sieben Gigawatt Steinkohle vom Netz.
- Die letzte Anlage soll 2038 abgeschaltet werden. Es gibt zudem die Option, dies auf 2035 vorzuverlegen.
- Die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sollen in den kommenden 20 Jahren 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen bekommen.
- Die Energiekonzerne sollen ab Anfang der Zwanzigerjahre für das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke entschädigt werden.
- Einen Stopp der Rodungen im Hambacher Forst hält die Kommission für „wünschenswert“, spricht sich aber nicht explizit für den Erhalt des Waldes aus.
Mit dem Kompromisspapier können offensichtlich die Beteiligten der Kohlekommission leben. Auch in der Öffentlichkeit gibt es viel Anerkennung für die Arbeit der „KoKo“. Schließlich steigt Deutschland damit nach Jahren klimapolitischen Stillstands als erstes großes Industrieland aus der Kohleverstromung aus, unabhängig davon, dass die Eckpunkte des Kompromisspapieres in konkrete Maßnahmen überführt und verbindlich auf den Weg gebracht werden müssen.
Ob es auch den Erfordernissen des Klimaschutzes entspricht, bleibt umstritten. Denn ein Kohleausstieg mit Enddatum 2038 entspricht kaum den Vorgaben des Pariser Weltklimavertrags, nach denen die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Zwar muss Deutschland und insgesamt die EU innerhalb des Klimavertrags ohnehin noch einmal nachschärfen, über den Kohlekompromiss hinaus sind weitere konkrete Maßnahmen zur CO2-Minderung im Verkehr, im Gebäudebereich und in der Landwirtschaft unverzichtbar. Ob damit die völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimabeschlüsse erreicht werden, bleibt aber offen.
Fluch oder Segen, Chance oder KoKoLores?
Bietet der vereinbarte Kompromiss der Kohlekommission tatsächlich die Chance, den Klimaschutz im Industrieland Deutschland nach Jahren des Stillstandes endlich voran zu bringen und auf den Pfad des Pariser Klimaabkommens einschwenken zu lassen? Oder ist der vereinbarte Ausstieg aus der Kohlenutzung mit dem Enddatum 2038 deutlich zu spät, um die prognostizierte Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, die Vereinbarung der „KoKo“ deshalb KoKoLores?
Darüber wollen wir debattieren mit Reiner Priggen und Gustav von Blankenburg.
Dipl. Ing. Reiner Priggen, Maschinenbauingenieur, Studium an der RWTH Aachen. Geboren 1953 in Sögel im Emsland. Verheiratet, 2 Kinder, in Aachen lebend. Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen von Mai 2000 bis Mai 2017. Vorsitzender der NRW Grünen von 1994 bis 2000, Mitglied im Koalitionsausschuss aller vier SPD-Grünen Landesregierungen zwischen 1995 und 2017. In diesen Jahren Stellvertreter Fraktionsvorsitzender, Fraktionsvorsitzender und Sprecher der Fraktion für Energie- und Wirtschaftspolitik. Jetzt ehrenamtlicher Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) NRW.
Gustav von Blanckenburg ist Aktivist in der Klimaschutzinitiative Fossil Free Münster. Seit er vor zehn Jahren bei Greenpeace in den Umweltschutz eingestiegen war, hat er an zahlreichen Protesten wie den Castorprotesten, Ende Gelände oder im Hambacher Forst teilgenommen und vertritt nun leidenschaftlich das Thema Klimagerechtigkeit. Hauptberuflich ist der 29-Jährige Musiktherapeut am UKM.
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WEITERE INFORMATIONEN:
Kommentar von Dr. Stefanie Groll (Heinrich-Böll-Stiftung): Ergebnisse und Einschätzung zur Kohlekommission – Der Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ alias Kohlekommission fällt für die Konzerne und die Beschäftigten recht gut aus, für das Klima und die Betroffenen eher nicht so gut. (weiterlesen)
Bewertung der Grünen Bundestagsfraktion (PDF)
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Nach Verabschiedung des „Kohlekompromisses“ kommt heraus, daß das Wirtschaftsministerium eines seiner Gutachten, das die Zerstörung von Dörfern im Tagebau Garzweiler infrage stellt, unter Verschluß gehalten hat. Also ja, statt Klimaschutz und Berücksichtigung von Anwohnerinteressen ist es Kokolores.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kohleausstieg-wirtschaftsministerium-hielt-brisante-studie-unter-verschluss-a-ad86aec0-5f29-4cf4-a005-0c9369ec5bcb